


INTERVIEW mit Johannes von NARZISS
TL2IN: Hallo Johannes! Wie geht es dir und dem Rest der Band? Ich hoffe doch,
dass alle fit und wohl auf sind!
NARZISS: Moin Sebastian. Vielen Dank der Nachfrage, es geht uns allen gut. Unser Basser
hat erfolgreich mit seiner Frau sein zweites Kind zur Welt gebracht und wir mussten glück-
licherweise nur einen Auftritt ohne ihn spielen. Wir haben den Sommer über recht wenig
gespielt und brennen jetzt darauf, endlich mal unser neues Zeux live unter die Leute zu bringen.
TL2IN: Ich glaube ja nicht, dass du euch noch lange vorstellen musst, aber es wäre
trotzdem ganz nett, wenn du uns einen kleinen Einblick in eure Bandgeschichte geben könntest.
NARZISS: Ok, ich versuche mich kurz zu fassen. Unsere eigentliche Geschichte beginnt im Frühjahr 1999. Da war das LineUp komplett, mit dem wir eine Weile Bandgeschichte bestritten haben, abgesehen vom Sänger. Vorher gab es uns auch schon in einer andern Besetzung, so ab Mai 1998, aus der heute nur noch ich übrig geblieben bin. Wir haben dann schon ziemlich zeitig, nach 3 Monaten und 13 Shows unseren Sänger rausgeworfen, weil es mit ihm einfach persönlich nicht geklappt hat. Da ist dann der Alexander eingestiegen und wir haben mit ihm die Split mit Nail, die Ebenbilder und die Killing Fields 4er Split aufgenommen. Dann wollte auch er nicht mehr und wir mussten uns einen neuen Schreihals suchen, wie dass dann bei uns zur Gewohnheit wurde. 3 Auftritte lang hatten wir da auch einen, aber das war stimmlich dann doch nicht das Wahre. Danach kam der Micha, mit dem haben wir dann „die Hoffnung stirbt zuletzt“ aufgenommen. Der kam aber dann 2002 aus der Sommerpause nicht wieder. Wir sind ihm komischerweise auch nie wieder begegnet. Er war einfach nicht mehr auffindbar. Man hatte ihn zwar immer mal gesehen, aber wir wie schon gesagt nie wieder. Da wir da aber schon ein paar Dates anstehen hatten, haben uns ein Freund aus Dresden von Julith Krishun und unser jetziger Bassist Steven gesanglich ausgeholfen. Das war aber nur ein kurzfristiges Ding. Unser Klampfer war übrigens schon Anfang 2002 entlassen worden, dass hatte ich vergessen einzubauen. Der Gitarristenposten war auch lange unbesetzt und wir haben da mit diversen Aushilfen gespielt. Ein Wunder, dass wir uns nach Gitarrist und Sänger weg nicht aufgelöst haben. Aber wahrscheinlich war das Ego zu groß. Im Oktober kamen dann der Rayk (Gesang) von Self Conquest und der Sebastian (Gitarre) von Harrow zu uns. Mit Rayk haben wir dann die „hope dies“ EP und einen Teil der neuen Welt eingespielt. Aber 2004 war dann schon klar, dass Rayk nicht mehr lange bleiben will. Wir wollten aber nicht schon wieder ein neues Release und gleich einen Sängerwechsel. Verschieben wollten wir aber auch nichts. Nach langem Drängen hat sich der Alexander dann beschwatzen lassen und ist zunächst als Verstärkung für Rayk wieder mit eingestiegen. Im Herbst 2004 ist dann Rayk ganz raus und wir waren fast so, wie wir heute sind. Im selben Jahr noch musste auch unser Basser Robert wegen persönlicher Probleme aussteigen. Und wer kam da anderes für den Posten in Frage als unser guter Freund Steven, der schon mal für uns so schön gesungen hatte. Ok, ich hoffe, dass war kurz und knapp. :)
TL2IN: Im Frühjahr habt ihr euer neues Album "Solang Das Herz Schlägt" im Rape Of Harmonies Studio eingespielt. Wie war die Zeit in eurem zweiten Zuhause und was hat sich am Songwriting seit "Neue Welt“ verändert? Gibt es etwas mit dem ihr die Die Hard Narziss-Fans überraschen wolltet?
NARZISS: Naja, unser zweites zu Hause ist das Rape Of Harmonies nicht, obwohl wir da schon sehr gerne sind. Es war dieses Mal sehr stressig, da ich nur eine Woche Ferien hatte und da alles reinmusste. Das ROH war in den Wochen nach unserer Aufnahme auch ausgebucht, so dass es schwierig war, dann noch Sachen nachzubessern und die Akustiksachen zu machen. Ich war ehrlich gesagt froh, als wir fertig waren. Vorgenommen hatten wir uns nichts, wir machen das, wonach uns eben gerade ist. Es war von vornherein klar, dass die Platte auf deutsch eingesungen wird. Was unsere Die Hard Fans von uns erhoffen, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Wir machen, dass was uns Spaß macht.
Der Unterschied zur „neuen Welt“ sind wohl vor allem ausgefeiltere und glattere Arrangements, vielleicht ein paar mehr Melodien und viel mehr cleaner Gesang. Das war mein Wunsch und wir sind dem Ziel des Satzgesangs schon ein Stück näher gekommen. :)
TL2IN: Wie seid ihr darauf gekommen, eure Aufnahmen zum Mischen und Mastern nach Dänemark zu Tue Madsen zu schicken?
NARZISS: Ganz einfach – weil wir das letzte Mal da auch schon waren. Es war klar, dass wir dieses Jahr nicht mit hinfahren konnten. So wollten wir von vornherein jemanden haben, der uns kennt. Und da kam in dem Bereich eben nur Tue Madsen in Frage. Wir haben dann die Songs immer per Internet hin und her geschickt. Das war zwar auch nervig, aber wir mussten eben nicht mit da sein.
TL2IN: Das neue Werk ist gerade via Alveran Records veröffentlich worden und sollte in jedem gut sortierten Plattenladen zu finden sein. Wie kam es zu dem neuen Plattendeal?
NARZISS: Der war von langer Hand geplant. Im Prinzip war mir schon nach der „neuen Welt“ klar, dass wir das mit unserem Label Circulation nicht mehr schaffen, Band, Familie, Arbeit und Label – das war einfach zuviel. Also haben wir uns da schon umgetan. Sascha war so ziemlich der einzige, der von vornherein Interesse hatte. Auch 2004 standen wir ja mit den deutschen Texten auf ziemlich weiter Flur alleine da – und nur er hatte richtig den Mut, sich daran zu wagen. Später kamen dann zwar noch andere Angebote, aber Sascha hatte das realistischste. Ein weiterer Punkt war die Hoffnung, dass wenn jemand externes nun noch ein gesteigertes Interesse an Narziss hat, dass uns das weiter nach vorne bringt. Und siehe da, der Plan ging auf.
TL2IN: Das düstere Comic-Artwork von "Solang Das Herz Schlägt" fällt einem sofort auf, da es sich von den meisten anderen derzeitigen Releases absetzt. Wer hatte die Idee zu dem Artwork und wie setzt es sich mit dem Titel der Platte zusammen?
NARZISS: Zunächst mal zum Titel. Das ist immer der Hass, da was zu finden und wir wollten die Platte nicht nach einem Song benennen, was uns lange als der letzte Ausweg erschien. Und pathetisch sollte er auch sein, wie die anderen eben alle. Irgendwann, Artwork, Studio und so was alles war alles schon fertig, kam Sebastian mit dieser Idee an. Er hat allen sofort gefallen und er passte auch wirklich gut zu allem, zu den Texten, dem Artwork und natürlich zu uns. Denn ich glaube, dass diese Band, auch wenn es sie mal nicht mehr gibt, in jedem von uns fünf weiter existieren wird. (Uhhh – das tropft ja :) )
Nun zum Artwork – wir wollten gerne was Comicartiges haben. Der Paul hatte da schon mal was für uns gemacht und wir wollten ihn gerne wieder haben. Vorstellung war, dass das Booklet auch so eine Art Geschichte erzählen soll. Ein Held tritt auf den Plan, macht das, wozu ein Held eben da ist, und stirbt am Ende. Ich hatte da eher so an den Stil von Creg Capullo gedacht, aber das sagte dem Paul überhaupt nicht zu. Und so sind wir eben eher bei Sin City rausgekommen – was auch wirklich der Hammer geworden ist. Artwork und Texte passen absolut gut zueinander. Ich denke, schon hier kommt unser Hauptmerkmal, der Mix aus Emotionalität und Härte, aus Melancholie und Schmerz so richtig zum Tragen.
TL2IN: Nicht nur artworktechnisch auch bei euren Lyrics geht ihr recht eigene Wege. Was kannst du über die neuen Shouts von Alexander und den Inhalt eurer Texte erzählen?
NARZISS: Ob wir da so wirklich eigene Wege gehen, kann ich nicht so beurteilen. Ich beschäftige mich recht wenig mit den Lyrics anderer Bands. Für mich sind sie alle sehr tiefgründig. Das ist auch immer unser Anspruch, tiefgründig zu sein, aber das nicht vordergründig. Die Texte sollen eben geschliffen und eingängig sein, im englischen würde man vielleicht catchy sagen, ohne aber dabei an Inhalt zu verlieren. Das ist verdammt hart, so etwas hinzubekommen. Alexander und ich sitzen oft tagelang über einigen Texten. Inhaltlich geht es vor allem um persönliches Erleben, oder wie wir eben persönlich bestimmte Dinge aufnehmen. Alexander hat einen Text über eine Vergewaltigung geschrieben, da geht es ganz besonders eben um Persönlichkeit und Gefühl. Ansonsten sind dieses Mal auch so ein paar Liebeslieder dabei, aber die handeln eher von pathologischen Beziehungsfällen, also nicht so die Art „Du gehst und ich sehe dich nie wieder, mein Herz ist gebrochen und die Hose voll.“ Ich habe dann noch einen Text über Sextourismus gemacht. Uns hat ein Text im Studio noch gefehlt, weil einer nicht zu machen war. Da habe ich den anderen vorgeschlagen, sie sollen mir ein Thema nennen und ich setze mich eine Nacht hin. Das hätte ich vielleicht so lax nicht tun sollen, denn es war ja klar, dass irgend etwas Unmögliches kommen musste. Diesen Text habe ich aus der Ich-Perspektive geschrieben, um ihn somit noch krasser zu machen und vordergründig wertneutral zu halten, vielleicht sogar das Hineinversetzen zu ermöglichen. Auf das Feedback bin ich gespannt.
Der Gesang passt auf dieser Platte da genau für mich ins Bild. Er ist eben nicht wie bei anderen Genrebands so aufgesetzt a la hier passt mal cleaner Gesang. Wir haben mit bedacht die Stellen schon beim Schreiben der Songs ausgewählt und bearbeitet, zumindest da, wo es schon Texte gab. Teilweise hat da der Text auf den Ausschlag gegeben. Für uns ist das die Möglichkeit, die Textinhalte noch besser interpretieren und Gegensätze besser darstellen zu können. Ebenso ist das mit den tiefen Growls, die Alex noch mit eingebaut hat. Sie dienen der Stimmung.
TL2IN: Ihr werdet dieses Jahr in England auf der HELL ON EARTH TOUR spielen und noch viele weitere Shows in Deutschland. Unter anderem auch beim Joch´n´Roll Fest in Hameln. Die Einnahmen vom J´n´R werden ja immer für wohltätige Zwecke gespendet. Habt ihr schon des öfteren auf solchen Veranstaltungen gespielt?
NARZISS: Da muss ich ehrlich gestehen, dass wenn das so ist, ich das nicht mitbekommen habe. Die meisten Shows bucht unsere Agentur MAD für uns und normalerweise erfahren wir da auch immer, worum es sich handelt. Auch sieht das ganze im Netz mehr nach einer normalen Show als nach einem Festival aus. Aber ich glaube, es sind die selben Veranstalter, die das Joch’n’roll Fest auch machen. Grundsätzlich spielen wir gerne Benefiz-Sachen. Aber es muss eben richtig Sinn machen. Manchmal hat man das Gefühl, dass sich die Veranstalter dann schnell was ausdenken, damit sie billig Bands bekommen.
Auf die HOE-Tour sind wir für die ersten 8 Tage noch mit drauf gerutscht, da HSB da nicht spielen können. Allerdings war das echt ein riesen Aufwand, da ich normalerweise außerhalb der Ferien nicht frei bekomme. Aber zum Glück haben mir da ein paar nette Beamte Sonderurlaub gewährt, so dass wir mal eine Woche mitzocken können.
TL2IN: Macht ihr zur Zeit nichts anderes mehr als die Band, oder bleibt euch noch die Zeit geregelten Jobs nachzugehen?
NARZISS: Gute Frage, es bleibt uns wenig Zeit, etwas anderes zu machen, aber zu wenig Geld, um nichts anderes zu machen. Wir arbeiten alle nebenbei. Ich z.B. mache gerade mein Referendariat, um meine Ausbildung als Lehrer für Musik und Geschichte noch zu komplettieren. Ich mache jetzt dieses Schuljahr noch mein zweites Staatsexamen, was natürlich wunderbar mit der vielen Arbeit, die wir bei der Band haben, zusammen passt. Im Grunde aber finde ich das gut für die Band – wir alle sind nicht davon abhängig und können so genau entscheiden, was wir mitnehmen wollen und was nicht. Klar ist das blöd, wenn Du ein Angebot bekommst, eine fette Tour mitzufahren und kannst nicht, weil Du nur in den Schulferien Urlaub bekommst. Aber wir haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass so ein Angebot auch wieder kommt, solang man hart für die Band arbeitet. Und das macht jeder von uns jeden Tag – es ist quasi unser einziges und großes Hobby. Dafür haben wir aber auch einen 18 Stunden Arbeitstag. :)
TL2IN: Gibt es schon Pläne für die Zukunft, die du uns hier präsentieren kannst?
NARZISS: Wir planen eigentlich nur, soviel zu spielen, wie wir können. Wir haben gerade noch ein Video gedreht und hoffen, dass es dann bei unserem Publikum Anklang findet. Des weiteren haben wir gleich damit begonnen, am nächsten Album zu arbeiten, damit wir vielleicht schon Ende des nächsten Jahres mit was neuem am Start sein können. Ansonsten eben alles wie immer – spielen und Spaß haben.
TL2IN: Ich wünsche euch viel Erfolg mit eurem neuen Album und weiterhin viele schweißtreibende Shows. Nun kannst du noch gerne das loswerden, was dir auf der Seele brennt.
NARZISS: Macht viele Kinder, damit unsere Rente gesichert ist. Das ist eigentlich alles. Ach und ihr könnt ja für die ganzen neuen kleinen Menschenkinder, die ihr so zeugt, unser Album kaufen. Damit die gleich wissen, wo es lang geht.
TL2IN: Danke für das Interview und deine Zeit!
